Eine Satire über die populärste Subkultur der Neunziger.
Das Phänomen Serienkiller beherrscht seit über einem viertel Jahrhundert die Medien. Der Startschuss fiel 1989, als der Roman „Das Schweigen der Lämmer“ von Thomas Harris erschien. Zwei Jahre später wurde das Buch verfilmt mit Jodie Foster und Anthony Hopkins in den Hauptrollen. Der Thriller gewann fünf Oskars und begründete die Kultfigur des Dr. Hannibal Lecter.
Seit Anfang der 1990er Jahre haben unzählige Thriller, als Buch oder Film, den Serienkiller zum Inhalt. 2013 startete die amerikanische Fernseh-Serie „Hannibal“. Das anhaltende Interesse kumuliert auch in einer großen Anzahl von Sachbüchern. Das Thema ist zur zeitlosen Subkultur geworden.
Doch das ausgelutschte Genre der Serienkiller-Bücher und -Filme taugt auch hervorragend als Satire. Über das, was als echter Schauer konzipiert worden ist, kann man sich schrecklich amüsieren. In 29 Kapiteln informiert dieses Buch in schaurig-lustiger Weise über Aspekte des Serienkiller-Themas, aufgelockert durch Exkurse unter der schönen Überschrift „Dr. Lecter plaudert aus der Praxis“. Hier stellt „der Doktor“ uns reale Serienkiller vor und zwar relativ sachlich. Auch gibt es kurze Einschübe, in denen „Hannibal“ (also wieder der Doktor) uns Ratschläge erteilt. Wir sollten ihnen folgen, wollen wir nicht schutzlos den Serienkillern ausgeliefert sein. So ist es kein Zufall, dass die gute Clarice uns schon im Titel begegnet, denn die Inhalte der Hannibal-Lecter-Trilogie ziehen sich als roter Faden durchs ganze Buch.
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Leseprobe
Wer darf sich überhaupt Serienkiller nennen?
Ist die Bezeichnung „Serienkiller“ eigentlich gesetzlich geschützt oder darf sie jeder ungestraft für sich verwenden, wie zum Beispiel den Titel „Psychologe“?
Mitte der 1970er Jahre, zu Zeiten von David Berkowitz, bezeichnete man Bluttaten, die ohne jede Gewinnabsicht verübt werden und sich daher von „normalen“ Verbrechen unterscheiden, als „Morde an Unbekannten“. Dies traf den Sachverhalt aber nur oberflächlich, denn viele Täter kennen ihre Opfer sehr wohl (ich sage nur: Nachtsichtgerät und Lieferwagen).
1953 ging John Reginald Christie noch als „Massenmörder von Notting Hill” in die Krimimalgeschichte ein. Etwa dreißig Jahren später fing man an, die „Morde an Unbekannten“ wissenschaftlich zu unterscheiden in: Mehrfachmörder, Massenmörder, Spree-Killer und Serienmörder. Bevor wir aber die Haarspaltemaschine anschalten, der Reihe nach:
Der Mehrfachmörder ist einfach ein nichtssagender Oberbegriff, der lediglich andeutet, dass es um mehr als einen Toten geht. Soweit, so gut, bzw. schlecht. Zum Massenmörder adelt einen die Anzahl von vier Toten, es dürfen natürlich auch mehr sein. Wichtig ist, dass der Killer sie an einem Ort und sozusagen in einem Akt tötet.
Typisch dafür ist etwa der Amoklauf in der McDonalds-Filiale oder an Schulen und natürlich ist ein Massenmord, wie wir aus der Geschichte wissen, beliebig steigerbar. Etwas komplizierter sieht die Sache beim Spree-Killer aus, der irgendwo zwischen Massenmörder und dem klassischen Serienmörder anzusiedeln ist. Auch der Spree-Killer bringt mehrere Menschen um, aber an verschiedenen Orten. Allerdings erfolgt das Töten aus einem Ablauf heraus und damit innerhalb relativ kurzer Zeit. Man denke hier an einen Amokfeldzug durch die Stadt oder jemand besucht der Reihe nach sämtliche Leute, die ihn früher in der Schule geärgert haben, um sie aus dem Genschatz der Menscheit zu entfernen.
Beim Serienmörder hingegen liegt zwischen allen Morden ein gewisser Zeitraum (Tage, Wochen oder sogar Monate) und somit ist jede Tötung ein Einzelfall. Was nicht heißen soll, dass ein Serienkiller nicht auch mehrere Menschen am selben Tatort auf einmal umbringen kann, aber zur Serie wird es eben erst dadurch, dass die einzelnen Taten zeitlich relativ weit auseinander liegen. Mindestens solange, bis der Killer sich zwischendurch wieder abgeregt hat.
Auch die Auswahl der Opfer (gezielt oder nicht gezielt) kann bei der Einteilung in die Kategorien eine gewisse Rolle spielen, worauf wir hier aber nicht weiter eingehen wollen, weil es zuviele Mischformen gibt und die Verwirrung auch so schon groß genug sein dürfte.
Was die erforderliche Anzahl angeht, die der Killer erfüllt haben muss, um in den Genuss einer Serie zu kommen, ist die Wissenschaft über das Steinzeitniveau kaum hinausgekommen. Schon unsere Urahnen errechneten die Anzahl ihrer Feinde mittels komplizierter Arithmetik. Diese ging so: eins, zwei, viele. Ab dann begann die Serie.
Hat der Kandidat es also dreimal (oder öfter) geschafft, dann hat er einen staatlich legitimierten Anspruch auf den schönen Titel „Serienkiller“. Diesen kann er sich in Urkundenform offiziell bescheinigen lassen, einrahmen und stolz übers Bett hängen.
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