Die Vergangenheit schweigt nicht. Sie fordert Vergeltung.
Als in einer verlassenen Nervenklinik eine mumifizierte Leiche entdeckt wird, ahnt Hauptkommissarin Kati Lindberg sofort: Dies ist kein gewöhnlicher Mord. Der Körper des Opfers ist unnatürlich konserviert – als hätte jemand die Vergänglichkeit selbst herausgefordert. An der Wand über der Toten prangt eine römische Ziffer, blutrot und unheilvoll.
Während Gerichtsmediziner Georg Hettkamp die verstörende Präparation untersucht, stößt Katis Team auf ein altes Fotoalbum. Darin: ein durchgestrichenes Gesicht. Kurz darauf taucht eine zweite Leiche auf. Wieder mumifiziert. Wieder eine Zahl.
Jemand spielt nach seinen eigenen Regeln – und er hinterlässt Hinweise, die Kati zu entschlüsseln versucht. Doch je tiefer sie in die Ermittlungen eintaucht, desto klarer wird: Der Täter hat ein Ziel. Ein Ziel, das unausweichlich näher rückt.
Wie lange bleibt ihr noch, bevor er seine letzte Zahl schreibt?
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Leseprobe
Die Kälte war das Erste, was sie spürte.
Ein eisiger Hauch kroch über ihre nackte Haut, grub sich in jede Pore, während ihr Atem flachen, ruckartigen Stößen entwich. Etwas schnürte ihre Brust ein, ließ die Luft in ihren Lungen zu dünnen Nebelschwaden verkommen. Dunkelheit. Absolute Dunkelheit. Nur das Dröhnen ihres eigenen Pulses hallte wie ein dumpfer Trommelschlag in ihren Ohren.
Sie versuchte, sich zu bewegen, doch ihr Körper war starr. Nein, nicht starr – gefesselt. Etwas Hartes, Kaltes drückte sich in ihre Handgelenke, scharfkantig, Metall vielleicht. Ein Schrei wollte sich aus ihrer Kehle lösen, doch es blieb ein ersticktes Röcheln. Etwas blockierte ihre Stimme. Ein Knebel. Panik griff nach ihr, zerrte an ihrem Bewusstsein.
Langsam kehrte das Gefühl in ihren Körper zurück. Ein Brennen, eisige Kälte auf ihrer Haut. Der Geschmack von Angst, bitter und metallisch. Und dann – ein Geräusch.
Schritte.
Langsam. Bedächtig. Er ließ sich Zeit. Jeder Schritt hallte auf dem kalten Boden wider, ein gemessener Takt, der sich in ihr Gedächtnis brannte. Dann spürte sie ihn. Seine Anwesenheit, bevor sie ihn sehen konnte. Ein leises Rascheln. Atemzüge, kontrolliert, gleichmäßig.
Plötzlich flammte Licht auf. Grell, erbarmungslos. Ihre Augen brannten. Sie kniff die Lider zusammen, blinzelte gegen die Helligkeit an. Ein Gesicht. Verschwommen. Dunkle Schatten, ein verzerrtes Lächeln.
»Guten Abend«, sagte er leise, fast freundlich.
Ihre Muskeln spannten sich an, der Überlebensinstinkt schrie nach Flucht, doch die Fesseln hielten sie gnadenlos fest. Er beugte sich zu ihr herunter, sein Atem streifte ihr Gesicht. Warm. Nah.
»Ich hoffe, du fühlst dich … wohl. Oder sagen wir lieber: angemessen eingeschüchtert.«
Er drehte sich um, griff nach etwas auf dem metallenen Tablett neben ihr. Ein leises Klirren. Als er sich wieder zu ihr wandte, schimmerte eine schmale Spritze zwischen seinen Fingern.
»Wusstest du, dass der menschliche Körper nach seinem Tod noch eine ganze Weile weiterlebt? Zellen, die sich wehren. Muskeln, die sich krampf-haft festhalten, als könnten sie dem Verfall entkommen.« Er drehte die Spritze in der Hand, betrachtete sie fast liebevoll. »Aber das ist eine Illusion. Fleisch ist vergänglich. Blut wird faulig. Außer …«
Er hielt inne, beugte sich näher. Ihre Lippen bebten gegen den Knebel. Die Tränen brannten heiß in ihren Augenwinkeln.
»… außer, man weiß, wie man es aufhält.«
[…]
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