„Trasse ist Klasse“ von Verena Liebers


„Ich habe mich in eine Trasse verliebt…“, meint Verena Liebers, und wer ihre Erlebnisse beim Laufen, Schwimmen und Radfahren zwischen Ruhr und Nordsee verfolgt, wird angesteckt von ihrer Begeisterung für die kleinen Dinge, von ihrem Humor und ihrer Feinsinnigkeit.

Wer dieses Buch gelesen hat, wird sich Fahrrad und Laufschuhe schnappen und nie wieder verreisen, weil er erkannt hat, dass die wahren Abenteuer direkt vor der Haustür locken, egal wo man lebt.

Ein Plädoyer für die Kraft und Faszination der Natur und zugleich ein Motivationsbuch, das alle Stubenhocker nach draußen zieht.

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Kennenlernen: Verena Liebers

Leseprobe

Wie es anfing – die Strichliste
Ich habe mich in eine Trasse verliebt. Nicht auf den ersten Blick, aber es war sofort eine Sympathie, ein Gefühl von Zusammengehörigkeit, ein schales Verlorensein, wenn ich einen Tag ohne sie erlebte. Sie fing an, zu mir zu gehören wie mein Fahrrad oder meine Zahnbürste, und mittlerweile bin ich der Ansicht, dass es kaum möglich ist, ein Leben im Ruhrgebiet zu beschreiben, ohne diese Trasse und ihre vielen Kollegen zu erwähnen. Vor allem, wer gerne sportlich unterwegs ist, findet unter dem Begriff Trasse ein wahres Eldorado, das sich zudem beständig vermehrt und erweitert.
Die Trasse ist aber nicht nur dieses Stückchen platter Asphalt bei mir um die Ecke, sondern sie steht stellvertretend für das Stück Heimat, das jeder vor seiner Haustür hat. Viele Menschen fahren ein- oder zweimal im Jahr in Urlaub und erzählen ihren Freunden von Radtouren auf Mallorca, Wandern im Tessin oder Baden an französischen Stränden. „Aah,“ sagen die Freunde dann, und „Ohh“, während sie zusammen unter einem Regenschirm an der Bushaltestelle stehen, einem Ort, den sie viel öfter sehen als die spanischen Strände. Diese Aah- und Ooh-Zeit dauert zwei, vielleicht drei Wochen. Demgegenüber stehen mindestens elf Monate, in denen wir zu Hause sind. Wo auch immer das ist. In der Stadt, auf dem Dorf. Das also ist unser Alltag, das ist der Ort, an den wir zurückkehren, egal wohin wir gefahren sind. Das ist das Heim, in dem wir bleiben, wenn eine Pandemie uns gänzlich vom Reisen abhält. Nun mag es Menschen geben, für die es tatsächlich nur im Urlaub lebenswert ist, aber die Regel ist das nicht. Der Alltag ist genau das, was wir uns so einrichten, wie wir es wollen und müssen. Wir haben Arbeit, wir müssen einkaufen, die Wohnung streichen, die Kinder betreuen, Eltern versorgen und den Garten umgraben. Der Bus kommt zu spät, der Chef ist ungerecht, und ein Schnupfen zwingt uns in die Knie oder in Quarantäne. Und irgendwo in diesem täglichen Aufgabenwust versuchen wir Sportler, uns die Trainingszeiten zu ergaunern. Sie werden uns nicht geschenkt, eigentlich scheint immer alles dagegen zu sein, im Supermarkt stehen wir Schlange, der Flaschenautomat ist kaputt, im Auto blinkt ein rotes Licht, das wir nicht kennen, und der Hund hat das Kopfkissen zerfetzt und das Gemüse erbrochen. Wir werden also kaum an einem Montagabend kurz auf die Malediven fliegen und uns an den Strand legen, sondern das Größte an einem verregneten Abend im November ist es, die Turnschuhe anzuziehen und loszulaufen. Das ist in meiner Wohnlage nahezu gleichbedeutend mit Laufen auf der Trasse. Sie ist die kleine Flucht aus dem Alltag, Begegnungsstätte mit meinen Freunden, den Jahreszeiten und mir selbst. Dort bin ich vor und nach der Arbeit, vor und nach dem Urlaub, dort passiert so viel, es ist das heimliche Abenteuerland.
Aber keiner fragt: „Wie war es auf der Trasse?“, sondern die meisten erkundigen sich nur nach dem Urlaub, dem letzten Marathon und so weiter.
Ich finde, das muss sich ändern.

[…]


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