Samantha zaubert aus jeder Art von Zutaten kleine Kunstwerke. Die Presse bezeichnet sie als die sinnlichste Chocolatière Londons und ihr Cateringunternehmen läuft hervorragend. Doch dann verliert sie den einzigen Menschen, der ihr noch geblieben war: ihre Granny Beth.
Wenig später erfährt sie von Peter, ihrem Ex und dem einzigen Mann, den sie jemals wirklich geliebt hat, dass er wieder heiratet. Und er bittet ausgerechnet sie, das Catering der Hochzeitsfeier zu übernehmen. Ohne Grannys Hilfe werden die nachfolgenden Wochen zu einer rasanten Berg- und Talfahrt. Dann steht plötzlich ein Aushilfslieferant in ihrer Küche, der ihr mit seinem durchdringenden Blick, herb-würzigen Parfum und sensuellen Bemerkungen viel zu nahe kommt – und wieder verschwindet. Die pragmatische Samantha stürzt in einen emotionalen Abgrund …
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Kennenlernen: Lisa Torberg
Leseprobe
Das gelbliche Licht der altmodischen Laternen durchdrang die hereinbrechende Dämmerung und legte sich wie ein warmer Mantel über Backsteinhäuser der Frith Street. Durch die Lichterketten in den Schaufenstern wirkten die kleinen Läden des Stadtteils Soho am ersten Dezembertag noch einladender als sonst. Ein kleines Mädchen zog seine Mutter an der Hand über die kaum befahrene Einbahnstraße zu den dunkelrot umrahmten Fenstern eines Shops. Dann riss es sich los und klebte seine Nase, die von der Kälte so rot war wie die der Rentiere des Weihnachtsmanns, an die Glasscheibe. Staunend betrachtete das winterlich vermummte Kind Santa Claus mit seinem Schlitten und ein verzaubert aussehendes Dorf aus bunt bemaltem Pappmaschee. Zwischen der weihnachtlichen Dekoration standen auf verschnörkelten gusseisernen Beinen kleine runde Bistrotische mit marmornen Platten. Das Mädchen leckte sich über die Lippen und starrte auf die runden, länglichen und quadratischen Schokopralinen und die vielen, bunt befüllten Konservengläser, die dort ausgestellt waren. An den Wänden auf antik anmutenden, cremeweiß bemalten Holzregalen waren unzählige bauchige, schlanke und birnenförmige Flaschen aufgestellt. An jedem war mit einem goldfarbenen Band ein Kärtchen befestigt. Dazwischen standen überall goldene und rote Kerzen, und von der Decke hingen Ketten, an denen kleine Engel festgemacht waren.
»Bitte Mummy, nur ein winziges Tütchen.« Der bettelnde Blick ihrer Tochter ging Marsha durch und durch. Sie wusste einfach nicht, wie sie Samantha entgegentreten sollte, nachdem das Schicksal ihr nach den Eltern nun auch die Großmutter genommen hatte. Die Freundin war nach dem Begräbnis vor knapp zwei Wochen unerreichbar gewesen, ihr Sam’s Sweet & Spicy geschlossen. Mit freudig glänzenden Augen blickte sie durch die Scheiben in den riesigen Raum. Hinter dem breiten Rundbogen, der den Verkaufsraum vom Küchenbereich nur optisch trennte, stand Samantha mit dem Rücken zu ihr an der marmornen Arbeitsplatte. Jetzt musste sie all die Köstlichkeiten allein zubereiten, ohne die anregenden Gespräche mit ihrer Großmutter, die den Laden zwar schon vor Jahren auf die Enkelin überschrieben, jedoch bis vor wenigen Monaten immer noch aktiv mitgearbeitet hatte.
Granny Beth war seit Jahrzehnten die gute Seele der Straßen und Gassen rund um die Gartenanlagen von Soho Square gewesen. Mit unermüdlicher Energie und vollstem Einsatz hatte sie stets ein offenes Ohr für alle gehabt, Kinder betreut, wenn eine Mutter etwas zu erledigen hatte, und Einwanderern bei Behördenwegen geholfen. Seit dem Tag, an dem ihre Tochter und der Schwiegersohn bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen waren, hatte sie sich mit Leib und Seele ihrer damals dreijährigen Enkelin ebenso gewidmet wie dem kleinen Laden, in dem sie selbst gemachte Delikatessen verkaufte. Wie oft hatten Marsha und weitere Kinder aus der Nachbarschaft ihre Nachmittage hier verbracht. Granny Beth hatte ihnen bereits im Vorschulalter spielerisch das Lesen beigebracht, mit ihnen gekocht und gebacken und später ihre Tränen getrocknet, wenn sie Liebeskummer hatten. Doch die kleine, rundliche Frau mit dem liebevollen Blick, die so herrlich nach Gewürzen duftete und stets ein Minzbonbon im Mund hatte, war seit dem letzten Sommer in nur wenigen Monaten zur Unkenntlichkeit abgemagert. Der Hirntumor, der als Grund ihrer jahrelang immer stärker werdenden Kopfschmerzen erst diagnostiziert worden war, als Sprachstörungen hinzukamen, war inoperabel gewesen. Bis zum letzten Moment hatte die knapp Siebzigjährige jede lebenserhaltende Therapie abgelehnt und darauf bestanden ihre letzten Wochen daheim zu verbringen.
»Ich will in meinem Bett sterben«, hatte sie gesagt und mit Morphium ihre sicherlich unerträglichen Schmerzen bekämpft, ohne sich etwas von ihrem Leiden anmerken zu lassen. In der zweiten Novemberwoche war sie dann eines Nachts friedlich eingeschlafen. Hunderte von Personen hatten ihr das letzte Geleit auf den Kensal Green Friedhof gegeben, wo Marsha ihre Freundin Samantha das letzte Mal gesehen hatte. Der kleine Laden mit der Schauküche, in der die Kunden die Herstellung der kulinarischen Köstlichkeiten miterleben konnten, war bis vor wenigen Tagen geschlossen gewesen, die Freundin telefonisch nicht erreichbar. Auch die Kurznachrichten waren unbeantwortet geblieben. Doch jetzt, am Tag nach dem ersten Adventssonntag, erstrahlte Sam’s Sweet & Spicy in vorweihnachtlichem Glanz.
Sie schrak aus ihren Überlegungen auf, als Emily heftig an dem Ärmel ihres Mantels zerrte. »Bitte Mummy, darf ich?« Mit einem tiefen Seufzer griff Marsha nach der Hand ihrer Tochter, ging auf die Ladentür zu und drückte sie auf. Der Klang der hellen Glocke, die das Eintreten der Kunden ankündigte, vermischte sich mit dem fröhlichen Lachen der Kleinen und der Stimme von Michael Bublé, die lautstark singend White Christmas ankündigte.
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