„Oh du tödliche …“ von Rosemarie Benke-Bursian (Hrsg.)


Eine weihnachtliche Krimi-Anthologie mit humorvollen, manchmal bitterbösen und immer wieder überraschenden Kurzkrimis von folgenden neun Autorinnen und Autoren: Rosemarie Benke-Bursian, Karin Büchel, Nina Camara, Magnus Haensler, Mona Moldovan, Christine Neumeyer, Rebecca Schneebeli, Petra Stangier und Ashley Wood.

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Kennenlernen: Rosemarie Benke-Bursian

Leseprobe

Inhalt der Krimianthologie
Rosemarie Benke-Bursian: Was für ein Schatz!
Karin Büchel: Tödliche Türchen
Nina Camara: Gilford
Magnus Haensler: Fichtenschlachten
Moldovan: Ein todsicherer Plan
Christine Neumeyer: Tödlicher Weihnachtsfrieden
Rebecca Schneebeli: Plätzchen für den Hundemörder
Petra Stangier: In der Weihnachtsbäckerei
Ashley Wood: Eine irre Fahrt

Was für ein Schatz! von Rosemarie Benke-Bursian
»Anja?«
»Hier bin ich.« Anja winkte, um Chris auf sich aufmerksam zu machen, der mal wieder davon geeilt war, obwohl sie vor der Auslage des Juweliers Krüger stehen geblieben war. Durch die weihnachtliche Dekoration schien der Schmuck noch einmal mehr zu leuchten.
»Ist sowieso zwecklos«, ertönte Chris‘ Stimme neben ihr. »Ich habe dein Weihnachtsgeschenk schon.«
»Deswegen darf ich doch trotzdem mal gucken«, sagte Anja. »Genau dafür haben wir uns doch verabredet. Um mal zu gucken.«
»Auf dem Weihnachtsmarkt haben wir gesagt. Nicht bei teuren Juwelieren.«
»Wenn er doch auf dem Weg liegt … Sieh mal das Armband dort. Ist das nicht wunderbar? Würde das nicht genau zu meiner neuen blauen Bluse passen? Und ist gar nicht so teuer, neunhundertneunundneunzig Euro. Das ist genau genommen sogar ein Schnäppchen für dieses Stück.«
»Vielleicht solltest du mal deine Brille aufsetzen. Dann würdest du sehen, dass da nicht drei, sondern vier Neuner stehen. Fast zehntausend Euro! Die Hälfte meiner Ersparnisse.«
Anja presste ihre Nase gegen die Scheibe. »Jetzt, wo du es sagst …«
»Komm weiter. Wir wollten noch eine Kleinigkeit für meine Mutter aussuchen. Außerdem wird mein Bruder auch zum Festessen kommen.«
»Henning? Und das sagst du jetzt erst? Wieso denn?« Sie zog die Nase kraus. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Dieser Nichtsnutz von Bruder. Ein kurzes Zusammentreffen hatte ausgereicht, um ihn zu ihrem Lieblingsfeind zu machen. Und diese Antipathie beruhte auf Gegenseitigkeit.
»Meine Mutter hat ihn und mich quasi dazu überredet. Ich weiß, er ist etwas unkonventionell, aber trotzdem mag ich ihn.«
»Unkonventionell nennst du das? Er ist ein Spieler und wenn du ihm nicht immer wieder aus seiner prekären Lage heraushelfen würdest, wären deine Ersparnisse auch nicht so zusammengeschrumpft.«
»Um dir dann so ein Armband zu schenken?« Chris lachte.
Wütend entzog Anja ihm ihren Arm, den er genommen hatte, um sie vom Schaufenster fortzuziehen. »Es gibt keinen Grund, mich auszulachen.«
»Aber ich lache dich doch nicht aus. Selbst wenn ich doppelt und dreifach so viel hätte, wären zehntausend Euro doch wohl ein bisschen viel für so ein Armband. Und überhaupt, wann wolltest du ein so teures Schmuckstück denn schon tragen?«
»Es gibt immer Gelegenheiten!« Anja steckte die Hände in die Manteltaschen und eilte mit großen Schritten davon. So zwang sie Chris dazu, ihr nachzulaufen, wenn er sie im zunehmenden abendlichen Gewühl nicht aus den Augen verlieren wollte.
 
»Meine Verehrung, schöne Frau«, sagte Henning und deutete eine Verbeugung an, die gerade noch als solche zu erkennen war. Die Arme hatte er dabei auf den Rücken gelegt, sodass Anjas ausgestreckte Hand ins Leere griff.
»Henning«, rief Chris und umarmte seinen Bruder. Dadurch drängte er Anja in den Hintergrund, die Henning gerade bitten wollte, nicht mit Schnee und Salz verunzierten Schuhen in die Wohnung zu trampeln,
Und schon war es zu spät. Henning stand bereits in der Wohnung, quetschte sich nach der Begrüßung seines Bruders auch noch unvermittelt an ihm und Anja vorbei, um die Arme nach seiner Mutter auszustrecken, die im Türrahmen zur Diele aufgetaucht war.
»Wieder mal kein Benehmen«, tadelte diese, nahm ihren Sohn aber dennoch kurz in den Arm. »Und nun zieh deine Schuhe aus, schau mal, was du angerichtet hast!«
»Oh sorry«, sagte Henning, schaute dabei aber nicht Anja, sondern seine Mutter an.
»Nicht so schlimm«, sagte Chris. Dann verschwanden alle im Wohnzimmer, während Anja Hennings Schuhe, unter denen sich eine große Pfütze auszubreiten begann, kurzerhand vor die Haustür stellte. Die Hand am Kinn betrachtete sie den schmutzigen Boden, den sie vor gut einer Stunde gewischt hatte.
Nun gut, wenn es nicht so schlimm war, musste sie es auch nicht wegputzen. Eigentlich war es ja auch Chris‘ Wohnung, nicht ihre. Obwohl sie vor einiger Zeit hier eingezogen war. Noch bevor sie seine Mutter und seinen Schmarotzer-Bruder kennengelernt hatte.

Das Weihnachtsessen verlief dann wider Erwarten recht fröhlich. Henning brachte seinen Bruder und seine Mutter immer wieder zum Lachen. Nur Anja schien aufzufallen, dass seine Kleidung noch schäbiger aussah als beim letzten Mal, dass er sich häufig umschaute und seine rechte Hand immer wieder leicht auf den Tisch klopfte.
Der will sicher wieder Geld, dachte sie. Doch sie sagte nichts, lachte mit, wenn es komisch war und verzog den Mund zumindest zu einem künstlichen Lächeln, wenn sie es nicht witzig fand.

[…]


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