„Düstermeer“ von Livia Pipes


Ein Kreuzfahrtschiff, eine traumhafte Hochzeitsreise – und ein unvorstellbares Verbrechen.

Kommissarin Kati Lindberg wollte die Zeit mit ihrer Familie in vollen Zügen genießen, doch als eine grausam zugerichtete Leiche an Bord gefunden wird, ändert sich alles. Der Täter ist noch mitten unter ihnen …

Während das Schiff durch aufgewühlte Gewässer fährt und ein Sturm aufzieht, beginnt ein nervenaufreibendes Katz-und-Maus-Spiel. Der Mörder hinterlässt kryptische Hinweise und rätselhafte Symbole, die Kati an ihre Grenzen bringen. Doch der Sturm macht jede Hoffnung auf Unterstützung zunichte – das BKA kann aufgrund des Wetters keine Verstärkung schicken. Kati steht allein gegen einen skrupellosen Gegner, der ihr immer einen Schritt voraus ist, während die Grenzen zwischen Freund und Feind verschwimmen.

Ein tödlicher Sturm zieht auf …

Einkaufen: Kindle | Taschenbuch
Kennenlernen: Livia Pipes

Leseprobe

Die Morgensonne strahlte bereits hell, als Kati und Georg leise an der Tür von Florian und Sandra klopften. Hinter der Tür hörte man ein leises Murmeln, dann öffnete Florian, noch etwas verschlafen, aber lächelnd.
»Guten Morgen, ihr drei. Wie habt ihr geschlafen?«, begrüßte Georg sie, während Sandra, mit Rian auf dem Arm, neben ihren frisch angetrauten Ehemann trat. Florian gähnte breit und versuchte, wach zu werden.
Sandra, deren schulterlange, mittelblonde Haare zu einem lockeren Zopf gebunden waren, lächelte sanft. Sie hatte noch ein wenig vom Babybauch, was ihrer zierlichen Figur aber keinen Abbruch tat. »Oh, ganz gut, trotz Rians nächtlichem Konzert«, antwortete sie und wiegte das Baby sanft hin und her. »Wie war eure Nacht? Alles ruhig auf dem Liebesdeck?«
Kati lachte. »Ruhig und erholsam, danke. Seid ihr schon hungrig? Wie wäre es mit einem gemeinsamen Frühstück?«
»Das klingt perfekt«, erwiderte Florian und strich sich durch die verwuschelten Haare. »Ich könnte ein riesiges Käse-Omelette vertragen.«
Kurz darauf machten sie sich gemeinsam auf den Weg zum Speisesaal. Ihr Gang war nur mäßig belebt, doch eine freundliche Kabinenstewardess nickte ihnen zu, als sie an eine Kabinentür klopfte.
»Guten Morgen«, grüßte Kati zurück, als sie an der Frau vorbeikamen.
»Ich bekomme deine Idee mit dem Omelette nicht mehr aus dem Kopf, Flo. Ich glaube, ich werde mir auch eins machen lassen.«
Plötzlich zerschnitt ein durchdringendes Kreischen die morgendliche Stille. Reflexartig drehten sich alle um. Das Zimmermädchen kam schreiend aus der Kabine gestürzt, ihr Gesicht kreidebleich vor Entsetzen.
»Ihr bleibt hier«, wies Kati Florian und Sandra an, während sie Georgs Hand griff und sie schnell zu der Frau eilten.
»Was ist passiert?«, fragte Kati, während Georg der Frau behutsam zur Seite stand und sie langsam zu Boden führte.
Die Frau schüttelte nur den Kopf, unfähig zu sprechen, und hielt sich mit zitternden Händen an der Wand fest. Georg beruhigte sie sanft.
Kati zögerte an der Schwelle der Kabine einen Moment. Ihr Instinkt als Kommissarin signalisierte Gefahr, doch die Neugier trieb sie voran. Sie trat ein und die Szene verpasste ihr sofort einen Schlag. Ihr Atem stockte.
Im Zentrum des Raumes, grotesk auf einem Stuhl drapiert, die Gestalt eines Mannes. Er war komplett nackt. Kati runzelte die Stirn. War es einer der Zwillinge, der mit den rot gefärbten Haaren, der ihr mit seinem Bruder immer mal wieder auf dem Schiff aufgefallen war? Dass er so nahe bei ihnen seine Kabine hatte, hatte sie nicht gewusst.
Sie fixierte die Szenerie, die Farbe, das Blut, das chaotische Arrangement. Alles formte sich in ihrem Kopf zu einem abscheulichen Bild. Die Art, wie der Körper positioniert war, die verstörende Mischung aus Kunst und Gewalt – es war Mord.
Ihre Kehle wurde eng. Selbst nach Jahren in ihrem Beruf, konfrontiert mit den dunkelsten Abgründen menschlicher Taten, ließ der Anblick sie innerlich erzittern. Hier, auf diesem Schiff, das ein Ort der Erholung sein sollte, war der Tod also auch präsent, brutal und unnachgiebig.
Sie trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Ihre professionelle Fassade bröckelte für einen Moment unter dem Gewicht der Erkenntnis, dass solche Grausamkeit keine Grenzen kannte. Nicht hier, nirgendwo. Sie wollte den Tatort nicht verändern und sie wusste, dass jeder Schritt Spuren verwischen konnte.
»Das kann einfach nicht sein …«, murmelte sie mehr zu sich selbst als zu irgendjemand anderem. Ihr Blick blieb an der Tür hängen, als könnte sie dadurch die Wirklichkeit verändern. Doch das Bild des Toten war bereits tief in ihrem Kopf verankert.
Georg stand an der Tür, wartete auf ein Zeichen von ihr. Kati drehte sich um, ihr Gesicht leichenblass, die Augen groß vor Schock. »Er ist tot«, sagte sie leise. »Ermordet. Wir müssen das sofort melden.« Ihre Stimme war fest, aber ihr Herz schlug wild gegen ihre Brust.
»Niemand darf hier rein, bis … bis wir den Kapitän informiert haben«, instruierte sie Georg. Draußen im Gang holte sie tief Luft, versuchte, die beklemmende Stimmung der Kabine abzuschütteln.
Georg trat zu ihr, seine Miene spiegelte ihre eigene Sorge wider.
»Wir müssen extrem vorsichtig sein«, sagte sie leise, ihr Blick über den Gang schweifend.
»Er ist noch nicht lange tot, oder? Ich nehme noch keinen Verwesungsgeruch wahr. Dann muss der Täter noch an Bord sein. Der letzte Stopp war vor drei Tagen. Wir können niemandem trauen, nicht solange wir nicht mehr wissen.«
In diesem Moment kamen Florian und Sandra hastig den Gang entlang. Ihre Gesichter waren voller Fragen. Die Kabinenstewardess kauerte immer noch wimmernd am Boden.
»Was ist denn los?«, fragte Florian.
»Ihr geht am besten frühstücken«, sagte Kati schnell.
Florian ließ sich jedoch nicht beirren. Er versuchte, an den beiden vorbeizusehen, doch Georg drückte ihn weg. »Nein, Flo!«
»Es ist besser, wenn ihr geht«, sagte Kati mit Nachdruck.
»Aber warum? Was ist denn da drinnen los?«
»Das erklären wir euch später.«
Sandra zog ihrem Mann am Ärmel. »Egal, komm. Es wird schon seine Gründe haben. Gehen wir.«
Georg fixierte Kati, seine Miene angespannt, die Falten auf seiner Stirn tiefer als sonst. »Was sollen wir jetzt tun?« Seine Stimme war leise, aber drängend.
»Wir brauchen Ruhe und Kontrolle. Ich gehe zum Kapitän. Du bleibst hier und sorgst dafür, dass niemand den Tatort betritt.«
»Mach ich.« Georg positionierte sich vor der Tür der Kabine.
Kati spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Sie atmete tief durch und ging los, ihre Schritte fest und bestimmt.
Die Gänge des Kreuzfahrtschiffes, sonst erfüllt von Gelassenheit und Urlaubsfreude, wirkten auf sie nun plötzlich bedrückend. Kati wich Passagieren aus, die sich ahnungslos auf den Weg zum Frühstück machten, während nur wenige Decks darunter etwas Schreckliches passiert war. Ihre Gedanken rasten, ein Durcheinander aus Fragen und düsteren Ahnungen.
Kati wollte nichts mehr, als diese Entdeckung zu melden und zu ihrer Familie zurückzukehren, doch sie wusste bereits, dass die Hochzeitsreise nun einen abrupten und düsteren Wendepunkt nehmen würde. Das Bild des toten Mannes, der reglos auf dem Stuhl saß, ließ sie nicht los. Seine weit aufgerissenen Augen schienen sie zu verfolgen, auch wenn sie nicht mehr vor ihr waren.

[…]


Entdecke mehr von Buch-Sonar

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

Hinterlasse einen Kommentar