Es geschieht nahe der Insel Upolu in West-Samoa, damals noch deutsche Kolonie im Südpazifik, dass am Beginn des 20. Jahrhundert der jugendliche Tanielu beim Perlmuscheltauchen tatsächlich eine Muschel mit einer sehr besonderen und großen, vor allem aber schwarzen Perle findet.
Nach der ersten Freude darüber, bringt die Perle ihm zunächst einigen Ärger ein. Bald jedoch wird sie ein Liebesglück besiegeln, und es entsteht ein Ritus, der sie um mehr als die halbe Welt und zurück tragen wird. Eine Reise, die sich 1967 ausgerechnet in Leipzig, in der seit nun schon 6 Jahren weitgehend abgeschotteten DDR im Zimmer des ebenfalls jugendlichen Alexander Goldbach, entspinnt und die so einiges über die deutsche Geschichte des letzten Jahrhunderts sowie über die Bräuche, Riten und Traditionen der Samoaner zu erzählen weiß.
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Leseprobe
West – Samoa, Insel Upolu, 1900 – 1903
Dass der Westteil der Samoa-Inseln von 1900 bis 1919 eines der sogenannten ´Schutzgebiete´ des Deutschen Reiches war, ist, da weit in die Vergangenheit reichend, einigen Menschen vielleicht nicht mehr bekannt.
Genau dort beginnt die Geschichte von der Kraft – dem mana – einer besonders schönen schwarzen Perle, welche die Menschen, die mit ihr in Berührung kommen werden, im Laufe der Geschichte mehr oder weniger beeinflussen wird …
Ein nach Perlen tauchender Junge, er stammte von einer Insel West Samoas, hielt sich nicht an ein tapu, dass alle Stammesangehörigen verpflichtet, die Schätze der Natur, besonders die des Meeres, beim Ältesten oder Häuptling abzugeben, denn sie gehören allen. Er verletzte es, als er die Perle an sich nahm, ohne sie bei seiner Sippe abzugeben. Denn es gibt heilige Gesetze: Immer entscheidet der Älteste der Sippe, was mit den Perlen geschieht …
Das kleine Dorf lag an der Nordküste von Upolu, der kleineren der zwei zu West-Samoa gehörenden Eilande, in der Nähe der Hauptstadt Apia. Es war umgeben von dichtem Palmenwald, der bis zum weißen Sandstrand an der Lagunenseite reichte. Dahinter erstreckten sich Mangrovensümpfe und dichter Urwald, und in der Ferne sah der Besucher dicht bewaldete Hügel und Bergspitzen im Inland. Südlich des Dorfes erstreckten sich große Kokosnuss-Plantagen.
Heute am Vormittag würde der feuchtwarme und stetig zunehmende Passatwind aus Südwest eine stürmische See bringen. Die Wellen schlugen schon an das nur zwanzig Bootslängen entfernte Saum-Riff. Die Sonne am azurblauen Himmel ließ mit ihrem Licht das Wasser der Lagune in türkisblauem Glanz erstrahlen. Am feinsandigen weißen Strand war es wieder ruhiger geworden, die Fischer waren mit ihrem Fang zurückgekehrt. Ihre Ausleger-Kanus, die kunstvoll aus den Hölzern haltbarer Bäume geschlagen und mit überlieferten Schnitzereien versehen worden waren, lagen nun sanft schaukelnd im klaren Wasser. Die Bewohner des Dorfes gingen ihren täglichen Beschäftigungen nach: Aus Palmwedeln, Bast, Sisal und Kokosmatten flochten sie Matten und Körbe. Kokosnüsse, Gemüse vielfältiger Art und Fisch wurden zu Speisen zubereitet. Auf dem Feld wurden Taro-Knollen geerntet und Blumen zu Gebinden zusammenstellt. Auch gab es eine Menge Muschelschalen und Perlen in vielen Größen und Farben zu Ketten und Armbändern zu verarbeiten. Dabei taten sich vor allem die Frauen hervor, sie waren vielfach begnadete Künstlerinnen auf diesem Gebiet. Dann waren da die Männer, die, neben der Fischerei, das Handwerk der Holzschnitzerei und des Bootsbaues von ihren Vätern und Großvätern erlernt hatten.
Tanielu, ein vierzehnjähriger Junge aus dem Dorf, wollte das noch ruhige Meer nutzen, um nach Muscheln zu tauchen, bevor es am Riff zu aufgewühlt sein würde.
[…]
Nun öffnete er endlich eine Perlenauster von Handgröße, die er tief unten an der Riffkante gefunden hatte. Er stieß an etwas Hartes. Tatsächlich, eine Perle, aber was für eine. Schwarz und rund, so groß wie sein Daumennagel. Ihr dunkler, blauschwarzer Glanz war in der Sonne überwältigend! Tanielu konnte es kaum glauben, nun hatte er eine große, seltene Schwarze Perle gefunden. Er sah sich vorsichtig um. Niemand war in der Nähe. Vorsichtig wickelte er die Perle in ein kleines Tuch. Die anderen Perlen, es waren drei kleinere helle, kamen in seinen Bastkorb.
Er ging schnellen Schrittes nach Hause und lieferte die Muschelschalen und die drei kleinen weißen Perlen seiner Mutter ab. Mehr hätte er nicht gefunden, log er, er wolle morgen noch mal an dieser Stelle tauchen, vielleicht gäbe es da noch mehr davon.
In der Hütte legte er sich das kostbare Perlenpäckchen unter das Bastkissen, auf dem er immer lag. Was er machte, sollte er die Perle behalten, war ihm klar, ein Bruch des tapu!
Ein tapu zu verletzen, war nicht erlaubt im Stamm und zog Bestrafungen nach sich. So kamen ein Tauch-, Spielverbot und auch das Verstoßen aus der Sippe infrage. Ein Dieb wurde verachtet, denn alle würden davon erfahren.
Die Perle wollte er eines Tages seiner Freundin Natia schenken. Er kannte sie schon zwei Jahre, sie war vierzehn Jahre jung.
Am nächsten Tag, nahm Tanielu das Tuch mit der Perle heimlich an sich und ging zur Lagune. Dort, an einer alten, verlassenen Hütte in der Nähe des Strandes, legte er die eingewickelte Perle unter einen Holzbalken und merkte sich die Stelle gut, an die er irgendwann, wenn es keiner sehen würde, hingehen und sie hervorholen würde.
Längere Zeit lag die Perle im Versteck. Jetzt war Tanielu wieder hier, um die Perle hervorzuholen. Er nahm sich sein Holzstück mit und sein Schnitzmesser, lehnte sich an die Balken der Strandhütte und fing an, das Holzstück zu einem Delfin zu bearbeiten. Der Holzdelfin sollte etwa die Größe seiner Hand haben. Einige Konturen waren schon erkennbar. Er liebte diese Tiere, die er häufig bei seinen Tauchabenteuern am Riff sah. Später sollte ihm die Schnitzerei als Talisman, einem Glücksbringer, dienen.
Tanielu hielt mit dem Schnitzen inne, legte seine Sachen beiseite und grub im warmen Sand unter dem Balken, um das Perlenpäckchen hervorzuholen. Er hatte es schon in der Hand, wickelte die Perle aus und betrachtete sie, wie sie in der Sonne funkelte. Tane, sein Onkel, der gerade vom Fischen zurückgekommen war, beobachtete ihn und kam hinter der Hütte hervor.
„Was machst du denn da?“ Tane stand neben ihm und schaute amüsiert zu ihm herunter.
Vor Schreck knüllte Tanielu das Tuch zusammen und verbarg es in seiner Faust.
„Hast du etwa einen Schatz gefunden?“, zog er ihn auf.
„Ich schnitze gerade meinen Delfin“, stammelte Tanielu.
„Und was hast du da in deiner Hand?
„Ist nur ein Tuch.“
„Lass mal sehen, da hast du doch etwas darin, wenn du so erschrocken bist. Aha, sogar eine schwarze Perle! Und was für eine schöne, aber sie gehört dir nicht, wenn du so heimlich tust und sie vergraben willst.“
„Ich wollte sie nicht vergraben.“
„Also hast du sie dort heimlich versteckt und dachtest dir wohl, es merkt keiner! Fasse sie nicht an! Wie lange ist sie schon hier?“
Tanielu schämte sich so, dass er alles zugab. Er hätte sie hier vergraben und wolle sie seiner Freundin schenken. Aber das verschonte ihm nicht vor einer gehörigen Strafe.
[…]
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