„Xystus – Die Abenteuer einer (nicht) ganz gewöhnlichen Maus“ von Regina Raaf


Als mutige Zeitreisemaus erfüllt Xystus eine wichtige Aufgabe im viktorianischen London. Vom Buckingham-Palast führt ihn seine Mission in einen entstehenden Eisenbahntunnel. Er muss Gefahren trotzen und immer neue Wege finden, um an sein Ziel zu gelangen. Auch die große Liebe wartet auf ihn – doch was tun, wenn man eigentlich aus einer ganz anderen Zeit stammt?

Eine spannende Fantasy-Geschichte mit Zeitreisen und Steampunk-Elementen für Kinder und Erwachsene.

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Kennenlernen: Regina Raaf

Leseprobe

Als Xystus in die Falle geriet, war er gerade einmal fünfunddreißig Tage alt. Zu jung, um eine Mausefalle auszutricksen, aber alt genug, um zu ahnen, dass sein Missgeschick vermutlich ein böses Ende nehmen würde. Darum lief er panisch in der vergitterten Kiste umher, die ihn gefangen hielt. Der Käse darin duftete immer noch köstlich, aber der Appetit war dem Mäuserich gründlich vergangen.
Als all das Fiepen nichts brachte, weil seine Mutter und die Geschwister längst eigene Wege gingen, kullerte eine Träne aus Xystus‘ Auge – zu diesem Zeitpunkt hieß er übrigens noch gar nicht Xystus, aber das tut nichts zur Sache. Xystus war traurig. Er wusste, dass ein Mauseleben nicht allzu lang währte, aber mit einem so kurzen Dasein hatte er dann doch nicht gerechnet.
Er war noch ganz in seine Verzweiflung vertieft, als er plötzlich zu schweben begann. So fühlte es sich also an: das Sterben. Doch dann begriff er, dass nicht nur er selbst schwebte, sondern die komplette Falle, in der er kauerte. Riesige Augen näherten sich. Menschenaugen!
Xystus bibberte vor Furcht. Wie oft hatte seine Mutter ihm, seinen beiden Schwestern und den drei Brüdern gesagt, dass sie um die Menschen unbedingt einen großen Bogen machen sollten. Denn Menschen töteten Mäuse – unter anderem mit Fallen. Es konnte also nicht mehr lange dauern, bis es endgültig aus war mit ihm.
Der Mensch lachte. Es klang rau und brüchig. Dann ging es in ein Husten über. Xystus wurde in der Falle mächtig durchgeschüttelt. Schließlich stellte der Mensch sie auf einer Fläche ab und blickte Xystus erneut an.
„Na, Kleiner! Da habe ich aber Glück gehabt, dass ich dich erwischt habe. Das ging schneller als gedacht. Du warst wohl sehr hungrig. Der Käse ist schon etwas alt … auf die nicht so gute Art. Vermutlich nichts mehr für einen Gourmet, aber ich hoffe, du magst ihn trotzdem. Friss in Ruhe und beruhige dich ein bisschen. Guck dich schon mal um, damit du dich an deine neue Umgebung gewöhnst. Und an mich.“
Der Mensch machte eine Pause, dann lachte er erneut.
„Ich rede und rede, dabei habe ich mich dir noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Professor Uriel Schnattergans … und manchmal mache ich meinem Familiennamen alle Ehre.“
Erneut das raue Lachen. Es klang nett, fand Xystus,
obwohl ihm klar war, dass seine Mutter nur missbilligend den Kopf über so einen Gedanken schütteln würde.
Menschen waren nicht nett – niemals! Das wusste er von ihr. Daher war er auch bei seinen kurzen Ausflügen, die für Mäusekinder typisch sind, als er noch von ihr versorgt wurde, sehr vorsichtig gewesen. Trotzdem … der alte Mann redete mit ihm. Warum tat er das, wenn er ihn doch eigentlich nur um die Ecke bringen wollte?
„Für dich finden wir auch noch einen Namen. Lass mich mal überlegen …“ Der Mensch legte einen Finger an sein Kinn, auf dem sich Bartstoppeln zeigten. Sein Gesicht war faltig, und die weißen Haare standen ihm ein wenig wirr vom Kopf ab. Der Mann trug eine Brille, deren Gläser seine Augen recht klein erscheinen ließen. Sie waren
immer noch auf die Maus gerichtet, dann schlich sich ein Lächeln auf sein Gesicht.
„Wie wäre es mit Xystus?“, fragte er und fügte an: „Das ist ein Menschenname, der kaum einem Kind gegeben wird. Eigentlich schade, denn er bedeutet: der Feine. Und ich finde, du hast ganz besonders feine Barthaare und fast schon zu kleine Ohren für eine Hausmaus.“
Zu kleine Ohren? Das hörte der Mäuserich zum ersten Mal. Er strich prüfend mit einer Pfote über sein rechtes Ohr.
Der alte Mann grinste. „Gut zu sehen, dass du mich schon verstehst. Die Maschine funktioniert also! Ich wollte das nur testen. Keine Sorge, mit deinen Ohren ist alles in bester Ordnung. Mit der Maschine allerdings noch nicht ganz, denn sie funktioniert offenbar nur in eine Richtung. Obwohl … sag mal etwas, Xystus!“
Stille.
„Irgendwas.“
Stille.
„Komm schon! Ich weiß doch, dass du mich verstehst. Sag zum Beispiel mal deinen neuen Namen.“
„Xys…tus“, sagte Xystus zögerlich.
„Ich höre leider nur ein Mausefiepen. Aber keine Sorge, das bekomme ich schon hin. Ein paar Einstellungen muss ich wohl noch verändern, dann sollte es gehen. Die Maschine wird uns eine große Hilfe sein, du wirst schon sehen, Xystus.“

[…]


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