„Dänische Dunkelheit“ von Jonas W. Bentsen


Die raue Schönheit Dänemarks und die düsteren Abgründe menschlicher Grausamkeit

Der bodenständige Stuttgarter Hauptoberkommissar Roland Schwarz verbringt den ersten Campingurlaub seines Lebens in der Hafenstadt Hvide Sande an der dänischen Westküste. Kaum angekommen, entdeckt er eine blutleere Leiche. Die ermittelnde, eigenwillige dänische Polizeibeamtin Adalena Jacobsen ist überzeugt, dass ein okkultistischer Ritus dahintersteckt. Trotz unterschiedlicher Lebenseinstellungen und Ansichten gehen die beiden Ermittler gemeinsam auf Mörderjagd und erkennen dabei, dass Lebende grausamer als Untote sind …

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Kennenlernen: Jonas W. Bentsen

Leseprobe

1.
Ihre Hand liebkoste die dornigen Zweige der Dünenrose. Es fühlte sich falsch an. Stumpf. Als ob ihren Fingern jegliches Gefühl abhandengekommen wäre. Nur den Windstoß, der ihr blondes Haar zerzauste, spürte sie auf der Kopfhaut. Marie Hiller schlug die Augen auf. Verschwommen nahm sie die Umgebung wahr. In ihrem Kopf hämmerte ein ihr unbekannter, heftiger Schmerz. Die Welt um sie herum drehte sich. Gleich einem Karussell auf dem Jahrmarkt. Immer schneller. Sie schnappte krampfhaft nach Luft, versuchte ihrer Sinne Herr zu werden.
Allmählich beruhigte sich ihr Atem. Eine Möwe! Mitten in der Nacht? Vom Schlafe aufgeschreckt? Wie gelähmt starrte Marie den über ihr schwebenden Vogel an, der sich in der steifen Brise hin- und herwiegte. Zweifellos befand sie sich irgendwo zwischen den Dünen am Meer. Sie schmeckte das Salz auf den aufgesprungenen Lippen. Wie war sie hierhergekommen? Was war geschehen? Eine eigenartige metallische Ausdünstung lag in der Luft, bahnte sich einen Weg in ihre Nase. Sie übertönte selbst den Geruch von Algen und nassem Grün. Sie kam ihr fremd und gleichzeitig vertraut vor. Blut? Abgesehen von den Schmiedehämmern in ihrem Schädel spürte sie keinen Schmerz.
Ein Gedanke drängte in ihr Bewusstsein. Sie hatte in ihrem Smartphone eine Nummer gesucht. Warum?
Ein Geräusch ließ sie zusammenzucken. Ein einem Sturzbach gleichendes Sausen ertönte in ihren Ohren. Ein Sturm, wo es keinen geben durfte. Mühsam tastete sie die Jackentaschen nach dem Handy ab. Sie brauchte Hilfe. Der Notruf. Ein flüchtiges Wischen über das Display, und Rettung kam.
Ein Schatten schob sich zwischen sie und den von vorbeiziehenden Wolken verschleierten Mond. Marie kämpfte mit aller Kraft gegen die drohende Ohnmacht an. Ein Gesicht tauchte über ihr auf. Vehement kehrte die Angst zurück. Mit der Angst die Erinnerung. Sieschloss die Augen in der Gewissheit, dass der Tod nahte. Es gab nichts, was sie dagegen tun konnte.

2.
Camping liegt im Trend. Nach Corona und unzähligen Überstunden verschloss sich Roland Schwarz dieser Tatsache nicht länger. Kurzerhand hatte er einen ausgebauten VW-Bus erworben und war zum Jahresurlaub an die dänische Nordseeküste aufgebrochen. Beste Aussichten,um für vier Wochen dem Arbeitsstress als Hauptoberkommissar und den unleidigen Mitarbeitern zu entkommen. Böse Kollegenzungen behaupteten zwar, er sei der einzige Unleidige im Team, diejenigen verkannten jedoch, dass er lediglich besonnen agierte und seinenSenf ausschließlich dann beisteuerte, wenn es tatsächlich Geistreiches zu sagen gab.
»Du beim Campen? In spätestens drei Tagen drehst du reumütig um!«, unkten neidische Stimmen.
Roland beabsichtigte, sie Lügen zu strafen. Was ihm allerdings angesichts des dritten gescheiterten Versuchs, das Vorzelt in die dafür vorgesehene Schiene einzufädeln, extrem schwerfiel. Am liebsten wäre er wegen des einsetzenden Nieselregens sofort wiederabgereist.
Dabei träumte Roland schon lange davon, die Weite der Strände, die naturbelassene Dünenlandschaft und die Gastfreundschaft der Dänen zu genießen. Dass das Wetter Ende September sich meist wechselhaft zeigte, war ihm bewusst gewesen. Es existierte demzufolgekein akzeptabler Grund zum Jammern …

[…]


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