Bonn 1972: Ein schillerndes Spielfeld der Macht und der Verführung, der Täuschung und des Verrats.
Nach einem rigorosen Einsatz gegen Dissidenten in seiner Heimat Litauen wird der junge, charismatische KGB-Offizier Rimas Rutkus in die Bundesrepublik eingeschleust. Sein Auftrag: Unter der falschen Identität eines schwedischen Journalisten soll er sich über Gisela, einer Mitarbeiterin in Bundeskanzler Brandts Wahlkampfteam, Zugang zu den Bonner Regierungskreisen verschaffen. In Zeiten einer neuen Ostpolitik hat Moskau durchaus Interesse, seinen Einfluss auszuweiten. Was für Rimas als Romeo-Mission geplant war, nimmt eine dramatische Wendung – bald empfindet er mehr für die junge Frau, als er sollte.
Auch der CIA-Agent Francis Haywood wird nach Bonn beordert. Dabei ahnt er nicht, wer der freundliche Schwede wirklich ist, der in seiner Nachbarschaft lebt. Bald wirft eine Spionageaffäre größeren Ausmaßes ihren Schatten auf die Bonner Republik, und auch Rimas droht, aufzufliegen. Kann er sich und Gisa aus der Schusslinie von BND und CIA retten?
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Leseprobe
19. September 1972
Vorhänge schirmten Rimas von der kräftigen Herbstsonne wie auch von ungebetenen Blicken ab, als er sich über den neuen Couchtisch beugte. In der Küche trällerte Caruso, der Kanarienvogel, inbrünstig seinen melodischen Gesang. Rimas presste sein Ohr an den Funksender, dessen Lautstärke er auf ein Flüstern heruntergedreht hatte, und lauschte aufmerksam der Frauenstimme. Auf Russisch gab sie eine Abfolge an Zahlen und deren Kombinationen durch. Hastig notierte Rimas mit, die abgestumpfte Mine des Bleistifts huschte über das Blatt. Ebenso flink ordnete er den Zahlen Buchstaben zu. Aus Worten wurden Botschaften, die das Kommissariat seinen Mitarbeitern im Westen auf dieser Frequenz vermittelte. So erhielt jede Tschekistin, jeder Tschekist Informationen darüber, was der Feind trieb, sowie spontane Einsatzbefehle. Aber auch Warnungen, sobald bekannt war, dass die westlichen Geheimdienste einen Schlag gegen das KGB planten. Dann hieß es, den Genossen zu Hilfe zu kommen. Man stand füreinander ein.
Der Hausmeister wird vermisst, entschlüsselte Rimas die letzte Botschaft. Grübelnd, was sie bedeuten mochte, starrte er auf seine eigene Schrift dann zum Sideboard aus Mahagoniholz. In Gedanken versunken ließ er seinen Blick über die blinde Mattscheibe des Farbfernsehers und die Buchrücken auf den Regalbrettern gleiten. Titel auf Schwedisch, Englisch und Deutsch reihten sich aneinander. Einer fiel ihm besonders ins Auge: Ein Flüchtling kreuzt seine Spur des dänischen Schriftstellers Aksel Sandemose. Die Bände der Nationalencyklopedin waren nur Attrappe, dahinter verwahrte er die Walther PPK samt Munition. In der Nische am zweiten Fenster stand ein kleiner Tisch mit Büroleuchte und Schreibmaschine. Auch in der Zweizimmerwohnung in Bad Godesberg hatten sich die Genossen sehr um Rimas‘ Glaubwürdigkeit bemüht. Sie hatten die Wohnung so eingerichtet, dass sie einem alleinstehenden Mann gehörte, der viel unterwegs war, aber auch behaglich war.
Wie von einem Geistesblitz getroffen hob Rimas den Kopf und warf sich in die weichen Polster des hellgrünen Samtsofas zurück. Natürlich, der Hausmeister … Der kleine Angestellte des Bundestages, Friedrich Ecker, stand als Informant auf der Liste des Kommissariats. Von Schukow hatte Rimas Einblick in die Liste erhalten, und sie war nicht knapp. In den Behörden und Büros waren einige Spitzel postiert, die auch scheinbar unbedeutende Informationen weitergaben. Dass einer von ihnen vermisst war, klang beunruhigend. Rimas vermutete, dass entweder der BND oder die Amerikaner den Hausmeister enttarnt und ausgeschaltet hatten. Wahrscheinlich hatte er sich durch einen leichtsinnigen, vermeidbaren Fehler verraten. Selbst langgediente, erfahrene Offiziere waren nicht davor gefeit, Fehler zu machen. Ein Einsatz in feindlichem Operationsgebiet barg seine Gefahren, und denen musste man sich bewusst sein.
»Konjets – Ende«, gab die Genossin durch den Funk und ein leises, totes Rauschen folgte.
Rimas schaltete das Gerät ab und trug es in den Flur. Am Alkoven schob er den mit bunten Blumenmotiven bedruckten Vorhang zurück und verstaute den Funkempfänger hinter einem Schuhkarton. Über dem Spülbecken in der Küche zerriss er den Zettel in kleine Fetzen, entfachte ein Streichholz. Sofort loderten die Papierschnipsel zu einer Flamme auf, zerfielen innerhalb von Sekunden zu Asche. Um den leichten Rauchgeruch zu vertreiben, öffnete Rimas den Wasserhahn und sah zu, wie die grauen Flocken im Abfluss verschwanden. Beruhigend tippte er an die Gitterstäbe des Vogelkäfigs.
»Keine Angst, mein Freund.«
[…]
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