„Herzmagie“ von Sabine Buxbaum


Laura flieht nach einem Zerwürfnis mit ihrem Vater durch ein Portal aus der Magiewelt Beniratus nach New York. Dort taucht sie in einer Bibliothek unter. Sie ahnt nicht, dass der neue Kunde Jack in Wahrheit der dunkle Magier und Herrscher Kilian ist, der Beniratus in Angst und Schrecken versetzt und gegen ihren Vater, den weißen Magier Feron, Krieg führt.

Fast täglich kämpft Laura unter falscher Identität in Beniratus gegen Kilians Armee, ohne ihm dort selbst jemals begegnet zu sein. Kilian weiß nicht, wer hinter Laura steckt, als er ihr in New York über den Weg läuft. Ihre unerschrockene Art weckt schnell sein Interesse und fordert ihn heraus. Unwissend lassen sich die beiden auf eine leidenschaftliche Affäre ein.

Doch als sich in Beniratus die Fronten verhärten, wird ihre Beziehung auf eine harte Probe gestellt. Denn in der Magiewelt sind sie Feinde. Werden sie die Konflikte der Vergangenheit bekämpfen können oder wird ihre Liebe untergehen?

Sabine Buxbaum | Kindle | Tolino | Taschenbuch

New York, Bibliothek von Mrs. Norris

Laura blickte ungeduldig auf die Uhr und seufzte. Noch zwanzig Minuten, bis sie die Tür zur Bibliothek endlich abschließen konnte. Kurz vor Feierabend kamen ohnehin kaum noch Menschen hierher. Es war Herbst und schon früh dunkel. Die Kälte und das schlechte Wetter hielten die Leute davon ab, in diese abgelegene Ecke von New York zu kommen. Überhaupt kamen in letzter Zeit nur wenige Personen. Wie ihre Chefin Mrs. Norris die Bibliothek mit einer Angestellten finanziell aufrechterhalten konnte, war Laura schleierhaft. Aber sei es drum. Sie war froh, dass sie hier eine Arbeit gefunden hatte, nachdem sie vor einem Jahr die Magiewelt fluchtartig verlassen musste und über die Schwelle der Abstellkammer der Bibliothek gestolpert war. Unwillkürlich ballte Laura ihre Fäuste. Sie fluchte innerlich, wenn sie an den Grund ihrer Flucht dachte.
Laura startete noch einen kurzen Rundgang durch die Gänge, die von meterhohen Bücherregalen begrenzt wurden, bevor sie endgültig Feierabend machte. Wobei ihrer nicht daraus bestand, die Füße vor dem Fernsehen hochzulegen.
Ihre Chefin hatte sich freigenommen und Laura darauf aufmerksam gemacht, dass sie am Ende eines Arbeitstages kontrollieren musste, ob nicht doch irgendjemand zu Ladenschluss in einer Ecke hockte und so in ein Buch vertieft war, dass er die Zeit übersah.
Die Bibliothek erstreckte sich über zwei Stockwerke und wurde nach Themen unterteilt. Neben zahlreichen antiquarischen Büchern fand zunehmend auch moderne, sogar lüsterne Literatur ihren Einzug in die Regale. Doch Laura hatte bisher kaum die Zeit gefunden, sich näher mit dem Inventar der Bibliothek auseinanderzusetzen. Auch wenn sie gern las, fand sie seit einem Jahr keine Zeit mehr dafür.
Da niemand mehr anwesend war, machte sich Laura wieder auf den Weg ins Erdgeschoss und erwog es, ein paar Minuten früher zuzusperren. Hier schienen ihre Dienste nicht mehr von Nöten zu sein, woanders hingegen war ihre Präsenz dringend erforderlich. Von dem Doppelleben, das sie führte, ahnte ihre Chefin nichts. Zum Glück. Ihr davon zu erzählen, wäre sinnlos. Sie würde Laura nicht glauben, sie hochkantig rauswerfen und ihr eine Aufnahme in die psychiatrische Abteilung nahelegen.
Laura rieb sich das schmerzhafte Handgelenk, das sie dem nächtlichen Einsatz am Vortag zu verdanken hatte, als ein Mann den Laden betrat.
Laura ärgerte sich über die Unhöflichkeit von Leuten, die wenige Minuten vor Dienstende aufkreuzten. Oft waren es sogar Pensionisten, die den ganzen Tag für ihr Ansinnen Zeit gehabt hätten.
„Wir schließen gleich“, machte sie den Kunden aufmerksam, der näher in ihr Blickfeld rückte. Einen Augenblick zog es Laura einen kalten Schauer über den Rücken, als sie ihn näher betrachtete. Er war von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet, groß und muskulös und seine Augen waren dunkel, genau wie sein Haar, das er kurz geschnitten trug. Was wollte so ein Typ um diese Zeit in der Bibliothek? Er wirkte nicht wie jemand, der literarisch interessiert war, sondern gerade von einem Boxkampf kam, den er verloren hatte. Denn so dunkel funkelten seine Augen und wühlten Laura auf.
Sie bedauerte, dass ihre Chefin keine Waffe in der Bibliothek hatte, mit der sie sich verteidigen konnte, falls dieser Kerl einen Überfall plante. Wobei, was sollte er hier schon stehlen wollen? Bücher wohl kaum und in welcher Bibliothekskasse war noch Geld zu finden, wo doch heutzutage jeder mit Karte zahlte?
Aber der Typ könnte auch ganz andere Dinge mit ihr anstellen wollen. Der Gedanke daran trieb Laura Schweißperlen aufs Gesicht. Sie ärgerte sich über die in ihr aufkeimende Angst, denn eigentlich galt sie als mutig. Wäre sie jetzt in der Magiewelt, könnte sie ihre magischen Fähigkeiten einsetzen. Hier in der Menschenwelt waren diese zu ihrem Bedauern blockiert. Der Fremde trat näher auf Laura zu und sie war dankbar, dass eine breite Theke zwischen ihm und ihr eine Grenze setzte. Vorsichtig tastete sie in einem Unterfach der Theke nach dem spitzen Brieföffner, auch wenn sie ihre Zweifel daran hatte, dass er zur Verteidigung gegen den muskulösen Typen ausreichen würde. Bekäme er ihr Handgelenk in seine Hand, könnte er mit einem Ruck ihre Knochen brechen. Der Kerl war ihr unheimlich, gleichzeitig auch seltsam faszinierend, als ginge ein dunkler Sog von ihm aus.
Statt Laura mit einer Waffe zu bedrohen, setzte der Mann ein verführerisches Lächeln auf und für einen Augenblick sah sie Begehren in seinen Augen aufblitzen. Sie verstärkte den Griff um den Brieföffner, mit der anderen Hand krallte sie sich an die Kante der Theke.
„Ich habe gehört, hier gibt es antiquarische Bücher“, begann er und seine Stimme klang rauchig und tief.
Laura lockerte ihre Griffe etwas. Womöglich suchte der Typ wirklich nur ein Buch.
„Stimmt, aber wie ich schon sagte, schließen wir gleich“, erklärte sie noch einmal mit fester Stimme, in der Hoffnung, ihn aus der Bibliothek zu vertreiben. Der fremde, durchaus auf seine Art attraktive Mann sollte sie nicht länger aufhalten. Sie hatte noch etwas Wichtiges zu erledigen.
Das Gesicht des Kunden verfinsterte sich merklich, was Laura wieder fester nach dem Brieföffner greifen ließ. Es schien ihm nicht zu passen, dass sie ihn loswerden wollte. Wohl eine Sorte Mann, der ein Nein nicht akzeptierte. Aber Laura war keine Frau, die das juckte.
„Könnten Sie vielleicht noch im Computer nachsehen, ob Sie ein bestimmtes Buch führen?“
Unwillkürlich rollte Laura mit den Augen. Um sich eine Beschwerde bei Mrs. Norris durch den Kunden zu ersparen, fuhr sie den Computer notgedrungen erneut hoch. Immerhin waren es noch drei Minuten bis Ladenschluss.
„Was für ein Buch suchen Sie denn?“, fragte sie genervt, was sie mit Sicherheit unprofessionell wirken ließ.
„Das Buch der Portale oder so ähnlich.“
Laura tippte den Titel in die Tasten und fand keinen Treffer. Zum Glück, sonst hätte der Typ eventuell noch darauf beharrt, dass sie ihm das Buch heraussuchte.
„Ich muss Sie enttäuschen, wir führen kein solches Buch.“ Ungeduldig klopfte sie mit den Fingern auf die Theke und warf einen beiläufigen Blick auf die Uhr.
„Schade, es ist auch gut möglich, dass der Titel anders lautet.“
„Vielleicht finden Sie diesen erst einmal heraus, dann geht es leichter, das Buch zu finden“, erwiderte Laura frecher, als sie vorhatte. Ein dunkler Blick durchbohrte sie und jagte ihr erneut einen Schauer über den Rücken.
„Das werde ich. Ich komme wieder.“ Sein Ton klang unterschwellig wie eine Drohung. Dann wandte er sich ab und verließ die Bibliothek. Dabei ließ er die Tür laut ins Schloss fallen.
Laura versperrte sie sofort und atmete erleichtert aus. Was war das nur für ein seltsamer Kerl? Hoffentlich war bei seinem nächsten Besuch Mrs. Norris zugegen, um sich um diesen Kunden zu bemühen.
Doch jetzt musste sich Laura wirklich um andere Dinge kümmern, als sich weiter Gedanken darüber zu machen. Sie zog die Rollladen der Fenster zu, denn niemand sollte sehen, wie sie in die andere Welt kam. Sie blickte sich noch einmal um und als sie sich sicher fühlte, schlüpfte sie in die Abstellkammer und durch das Portal, das sie heimlich entdeckt hatte.

Blick ins Buch (Leseprobe)


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