„Das Medaillon der Highlands“ von Emilia Doyle

Als Caitlyn ihrer Mutter gegenübersteht, von der sie als Kind verlassen wurde, erlebt sie eine Überraschung. Die Umstände scheinen anders, als ihr erzählt wurde. Sie erhält ein harmlos anmutendes Geschenk und erwacht im 18. Jahrhundert. Caitlyn ist entsetzt, doch ihr bleibt keine Zeit, mit dem Schicksal zu hadern.
Auf der Flucht vor aufdringlichen Soldaten wird sie von Highlandern aufgegriffen und auf deren Burg verschleppt. Obwohl sie gut behandelt wird, will sie zurück in ihr gewohntes Leben. Das Artefakt, das für die Zeitreise verantwortlich ist, muss wieder her. Die verzweifelte Suche danach ist eines von vielen Problemen, die zu bewältigen sind. Sie muss sich mit Ängsten sowie ihrer Herkunft auseinandersetzen. Ihre aufkeimenden Gefühle für den attraktiven, charismatischen Laird sind dabei wenig hilfreich. Doch vor seiner Anziehungskraft kann sie sich nicht verschließen.

Emilia Doyle | Kindle | Taschenbuch

»Du denkst also auch, ich sei verrückt? Ist es das?«
Caitlyn wand sich wie ein Aal. So direkt wollte sie ihr das natürlich nicht ins Gesicht sagen.
»Du wirst deine Meinung ändern, mein Kind, wenn du selbst ein Teil der Vergangenheit geworden bist, und das wird passieren. Du kannst es nicht verhindern, aber ich kann dir helfen und dich auf diese Zeit vorbereiten, schließlich habe ich lange dort gelebt.«
Mit offenem Mund starrte sie ihre Mutter an. Grandma hatte recht gehabt, Sophie Miller war nicht bei klarem Verstand.
»Lass uns auf der Terrasse weiterreden«, schlug sie vor und ging voraus, ohne darauf zu achten, ob die Tochter folgte. »Ich kann dich nicht begleiten, eine weitere Zeitreise würde ich nicht überleben. Der Körper ist danach extrem geschwächt. Nach meiner Rückkehr hat es Monate gedauert, bis ich mich erholte.«
Lauernd blieb Caitlyn in der Tür stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. Sollte sie sich wirklich diesen Unsinn anhören?
»Das Leben in den Highlands ist ein raues Leben, aber mit der Liebe deines Lebens an deiner Seite ist es gleichgültig, welches Jahr wir schreiben. Die Annehmlichkeiten unseres einundzwanzigsten Jahrhunderts sind nicht so notwendig, wie du zuerst denken magst. Du wirst dich daran gewöhnen, aber du musst gewisse Dinge wissen und beachten. Du bist eine Sassenach, so nennen die Schotten die verhassten Engländer. Die Engländer haben Garnisonen errichtet, sie kontrollieren die Highlands und schikanieren die Menschen, die dort leben. Die meisten Highlander sind Jakobiten, Anhänger der Stuarts und sie verachten den Hannoveraner König George I, weil sie …«
»Ich brauche keine Geschichtslehrstunde!« Caitlyn unterbrach sie scharf und zog sich mit verkniffener Miene nun doch den Stuhl zurecht. »Ich habe nicht vor, nach Schottland zu reisen, schon gar nicht in ein Schottland des achtzehnten Jahrhunderts!«
Sophie Miller sog zischend die Luft ein. »Ich fürchte, früher oder später wird dir keine andere Wahl bleiben, Liebes. Die Mächte des Universums werden alles daransetzen, die Ordnung wieder herzustellen. Wenn wir es genau nehmen, gehörst du nicht in diese Zeit. Du wurdest 1694 gezeugt, erst durch mich wurdest du ins einundzwanzigste Jahrhundert befördert. Du warst ein ungeborenes Wesen, das keine freie Entscheidung treffen konnte, und das verletzt das hohe Gesetz der Magie.«
Ein beinah hysterisches Lachen entwich Caitlyn. »Aber es war deine Entscheidung, ins achtzehnte Jahrhundert zu verschwinden, ja?«
»Nicht ganz, aber ich war für meine Taten und mein Handeln selbst verantwortlich, du hingegen nicht.«
Ein eiserner Ring schien sich um Caitlyns Herz zu schnüren. Dachte sie bei ihrem ersten Treffen noch, ihre Mutter sei eine bemerkenswerte Persönlichkeit, eine Frau, die es trotz arger Probleme in ihrem Leben geschafft hatte, sich eine Existenz aufzubauen, so fiel an diesem Tag alles wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Sie war eine Närrin, was hatte sie erwartet? Sie biss sich auf die bebenden Lippen und hörte nur mit halbem Ohr zu, während die Mutter von ihrem angeblichen Vater Cailan Innes schwärmte und von einem Zerwürfnis berichtete, das dieser Mann mit seinem älteren Bruder Artair, dem Laird des Clans ausfocht, in dem es wohl um sie ging.
Mit trotzig verschränkten Armen vor der Brust musterte Caitlyn die Frau.
Sophie Miller schaute sie nicht an, während sie voller Enthusiasmus von einem Leben in den Highlands berichtete. Vermehrt fiel sie in eine seltsame Ausdrucksweise, die Caitlyn zuvor schon aufgefallen war, ebenso benutzte sie Begriffe, die sie nicht verstand. Aber sie ersparte es sich, nachzuhaken, da sie keinerlei Interesse an der Berichterstattung hegte.
Warum hatte man sie aus der Psychiatrie entlassen, fragte Caitlyn sich. Es war offensichtlich, dass sie alles andere als geheilt war.
Gelangweilt ließ sie ihren Blick schweifen. Von ihrem Sitzplatz aus konnte sie durch die offene Terrassentür ins Wohnzimmer sehen, und sie nahm jede Einzelheit in sich auf, denn sie würde sich auf keinen weiteren Besuch einlassen.
»Ich hätte niemals hierherkommen sollen!« An der plötzlichen Reaktion ihres Gegenübers bemerkte Caitlyn, dass sie ihren Gedanken laut ausgesprochen hatte.
Sophias Blick wurde distanziert und kühl, als ihr gewahr zu werden schien, dass sie mit ihrer Geschichte nicht zu ihrem Kind durchdringen konnte. Sichtlich gekränkt streckte sie ihren Hals und starrte in den Garten, das Schweigen zwischen ihnen wog schwer.
Caitlyn durchforstete ihr Hirn nach einer unverfänglichen Erklärung, um sich schleunigst verabschieden zu können. Das kleine Mädchen, das sich durch spannende Geschichten beeindrucken ließ, existierte nicht mehr. Sie war eine erwachsene Frau, die Auskünfte über ihre Herkunft sowie mögliche vererbbare psychische Erkrankungen erhalten wollte. Doch nach dem heutigen Treffen war klar, dass sie solche Informationen nie bekommen würde.
»Ich denke, ich sollte besser gehen.« Sie erhob sich. »Wir leben in zwei verschiedenen Welten, und mit der deinen kann ich mich nicht identifizieren. Es tut mir leid, Mutter!« Sie brachte es nicht über die Lippen, sie vertraulich Mum zu nennen. Tränen traten in ihre Augen und sie wandte schnell das Gesicht ab.
»Nun gut, du bist noch nicht bereit. Ich muss es wohl zur Kenntnis nehmen.«

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