„Rekursion: Jenseits der Zeit“ von Mikael Lundt


Eine rätselhafte Botschaft aus der Zukunft rettet der Familie des Tachyonenforschers Dr. Marc Jensen eines Nachts das Leben. Am nächsten Morgen jedoch ist seine gesamte Forschungsarbeit verschwunden — und mit ihr der Beweis, dass die lange für undenkbar gehaltenen Tachyonen tatsächlich existieren.

10 Jahre später holt Dr. Jensen die Vergangenheit ein: Fragmente seiner Arbeit tauchen plötzlich wieder auf, Forscherkollegen sterben und seine Tochter wird entführt.

Um sie zu retten, muss er sich einem schier übermächtigen Feind stellen, der ihm immer einen Schritt voraus zu sein scheint. Schlimmer noch: Wenn Jensen scheitert, droht das Gefüge von Raum und Zeit ins Chaos zu stürzen.

Das goldene Licht des Sonnenaufgangs strahlte durch die Panoramascheiben im 22. Stock des Grand-Science-Tower von New Silicon Valley und verlieh dem rotbraunen Rauschebart von Dr. Marc Jensen eine glühende Aura. Der Bart wirkte in der auf Hochglanz polierten und fast gänzlich weißen Hightech-Umgebung irritierend rustikal, deplatziert. Jensen saß vor einem geschwungen designten Terminal, das entfernt an eine kreidebleiche Kidneybohne erinnerte, die man auf der einen Seite angeschnitten hatte. Er nickte zufrieden. Die Anzeigen waren eindeutig: „Transmission erfolgreich.“
Dann legte Jensen den Kopf schief.
Wieso saß er noch hier?
Jensen machte eine Wischgeste in der Luft vor dem Display. Die Anzeige verschwand.
Hatte die Übertragung wirklich geklappt oder verstand der Trottel am anderen Ende die Botschaft nicht?
Jensen seufzte. Wenn alle gängigen Theorien – vor allem seine eigenen – stimmten, dürfte er nicht mehr hier sein. Alles müsste sich geändert haben. Er müsste jetzt zu Hause bei seiner Familie im Garten sitzen. Er müsste Tee trinken und den Äpfeln beim Reifen zusehen.
Irgendetwas muss schief gelaufen sein. Stimmte die Auflösung der Raumzeit-Koordinaten? Gab es eine unvorhersehbare Variable?
Ungeduld stieg in ihm auf – und ein schmerzhafter Zweifel. War er längst irrsinnig geworden? Er wischte den Gedanken beiseite. Er hatte mehr als ein Vierteljahrhundert auf diesen Tag gewartet und nun machte er sich nach ein paar Minuten verrückt? Doch Jensen wusste, dass dies viel zu menschliche Überlegungen waren, ganz altbackene lineare Denkmuster. Jahrhunderte, Minuten, das war mehr oder weniger das Gleiche. Und es spielte in diesem Fall gar keine Rolle. Zeit heilte weder Wunden, und das wusste er nur zu gut, noch war sie bestechlich. Etwas am grundsätzlichen Konzept musste fehlgeschlagen sein. Nur was? Er würde die KI den Prozess noch einmal gründlich untersuchen lassen.
„Ted?“, sagte Jensen nun. „Starte die Datenanalyse.“ Er bekam keine Reaktion.
„Ted?“, wiederholte er den Namen seiner eigens für dieses Projekt erschaffenen Künstlichen Intelligenz.
Er bekam wieder keine Antwort. Nur eine simple Textnachricht auf dem Display: „Ted reagiert nicht mehr.“
In diesem Moment flackerten alle Elemente des Terminals, die Displays gingen mehrfach an und wieder aus. Codefetzen huschten über die Anzeigen, ein grelles Surren drang durch die Verkleidung des Terminals. Die Deckenbeleuchtung im Raum versagte. Es blieb nichts zurück außer Jensens erstarrter Silhouette im Morgenlicht.

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